CHAOS IM ARBEITSZIMMER
- oder am besten die Tür bleibt zu!
„Ich habe es seit Monaten nicht mehr betreten“. „Willst Du wirklich da rein?“ fragt Anni. Ja ich wollte. Ich wollte selber sehen und erleben, was an Anni´s Gejammer wirklich dran ist. Ich war sichtlich überrascht. Das pure Chaos erwartete uns. Von Staub und Dreck einmal abgesehen zeigten sich vollgestopfte Bücherregale, zwei Schreibtische voller Technik, loser Blattsammlungen und Zettelkram. Mehrere übervolle Schubladen und Ablagen, Kleinkram alla couleur, ein Büroschrank mit der imaginären Aufschrift „Bei Öffnung – Lebensgefahr“, Kisten, verwahrloste Grünpflanzen …
Ich fragte mich in diesem Moment, ob da noch jemand atmen kann? Anni´s klare Reaktion: „Am besten die Tür bleibt zu!“ Auch eine geschickte Methode. Vermeiden, Wegschauen, die zahllosen Briefe, Gutscheine von 2008, Münzen, Pferdekram, Wissensratgeber etc. – strategisch ignorieren.
Anni ist tief bestürzt und schämt sich. „Ich bekomme einfach keine Ordnung hin“. Die Steuerklärung 2017 ist längst überfällig. Der Steuerberater drängelt. Jedem hartgesottenen Feng Shui Berater hätten längst die Haare zu Berge gestanden und auch der Ratgeber zum „Entrümpeln“ hätte vor lauter Verzweiflung Reiß aus genommen. Wie war der Spruch: Nur das Genie beherrscht das Chaos? Anni beherrscht die Überforderung. Es ist einfach alles zu viel! Die graue Masse, bestehend aus lauter kleinen Einzelteilchen, die sich in rasender Geschwindigkeit vermehren und als riesiges Hindernis den Weg zum Arbeitszimmer versperren. Die Antriebslosigkeit nimmt den inneren Stress an der Hand und bahnt sich ihren Weg. Der innere Kritiker meckert: „Das bekommst du eh nicht hin“! Anni fühlt sich wie eine Versagerin. Als Selbstständige ist es doppelt deprimierend.
Manchmal ist aufgeben, wegsehen, den Dingen ihren Lauf lassen, die Augen vor dem drohenden Unheil verschließen, die einfachere Lösung. Immerhin es ist eine. Die einzige, die uns manchmal dazu einfällt. Nur wie wir bereits wissen? Die Straße des geringsten Widerstandes ist nur am Anfang asphaltiert. Ein Zauberwort muss her, dass den Topf, wie aus dem Märchen „Der süße Brei“ wieder zum Stehen bringt. Ihres heißt Struktur. Der Überforderung als Herausforderung begegnen mit Struktur.
Wie soll das Arbeitszimmer hinterher aussehen? Wo will ich etwas finden? Wie arbeite ich? Wo habe ich Chaos in meinen Gedanken? Alles braucht seinen eigenen Platz. Alle Dinge wollen gesehen und in die Hand genommen werden. Es braucht Entscheidungen. Was bleibt? Was geht? Was wechselt den Platz im Haus? Anni braucht Ordnung. Ein Beschluss muss her. Alles fliegt raus! Ein paar Stunden später hat die Grünpflanze am Fenster wieder Licht. Der Schreibtisch ist aufgeräumt und strukturiert. Die Schubfächer sortiert und halb voll. Der Rest in Kisten vorsortiert. Morgen ist auch noch ein Tag. Kurz vorm Hinschmeißen ist Anni wieder auf Kurs und freut sich auf ein übersichtliches Arbeitszimmer.
Die Passivität ist der Aktivität gewichen. Zu zweit ist vieles einfacher und am Ende war alles ganz entspannt. Aufatmen. Anni ist ihrer Herausforderung mit einer kräftigen Portion aktiven TUN begegnet und hat somit in ihrem Chaos eine Orientierung gefunden. Wie Innen so Außen. Klarheit im Kopf und im Büro. Damit die Tür zum Arbeitszimmer erst gar nicht zu bleiben muss.